Muster begegnen uns überall im Leben, und das nicht nur als Strickmuster im Hausfrauenmagazin der Großmutter. Jeder durchschnittliche Roman oder Actionfilm folgt einem Muster, z.B. dem tragisch gefallenen Held. Die erste Formalisierung von Mustern geht auf Christopher Alexander zurück, der in seinem Buch “A Pattern Language” Architekturaspekte und -strukturen logisch zusammenführte. Erich Gamma et al adaptierten dieses Vorgehen daraufhin in “Design Patterns: Elements of reusable software” für häufig wiederkehrende Muster in der Programmierung. Und schließlich haben auch die Autoren von “Patterns in Game Design”, Staffan Björk und Jussi Holopainen, Computerspiele auf Muster untersucht und die Ergebnisse in ihrem 423 Seiten starken Titel mit Begleit-CD festgehalten.
“Patterns In Game Design” ist in zwei Teile mit insgesamt 15 Kapiteln aufgeteilt, wobei sich der Großteil des Buches sich über den zweiten Teil, The Pattern Collection, erstreckt.
Im ersten Teil, Background, erörtern die Autoren zunächst ihre Herangehensweise, mit der sie Computerspiele in ein Gefüge von holistischen (holistic), abgrenzenden (boundary), zeitlichen (temporal) und strukturellen (structural) Komponenten aufspalten und damit vier Betrachtungsweisen der Aktivität des Spielens definieren. Holistische Komponenten definieren, wie die Aktivität des Spielens von anderen Aktivitäten abgegrenzt werden, abgrenzende Komponenten beschränken den Handlungsspielraum innerhalb eines Spiels, zeitliche Komponenten beschreiben den Spielfluß, und strukturelle Komponenten definieren physische und logische Elemente, die nötig sind, um den Spielzustand zu beinhalten und zu ändern. Darauf folgt die Definition des Pattern-Begriffs und die Einführung einer Vorlage, nach der sämtliche Design Patterns formatiert werden. Der erste Teil schließt mit einem Kapitel über das Auffinden und die Anwendung von Design Patterns in Spielen ab.
Über den zweiten Teil erstreckt sich in elf Kapiteln ein Katalog mit über 60 ausformulierten Entwurfsmustern. Die Kapitel teilen die Entwurfsmuster in die Themen Spielelemente (Game Elements), Ressourcen und Ressource-Management (Resources and Resource Management), Information, Kommunikation, Präsentation (Information, Communication and Presentation), Aktionen und Ereignisse (Actions and Events), erzählerische Strukturen, Berechenbarkeit, Vertiefung (Narrative Structures, Predictability and Immersion), soziale Interaktion (Social Interaction), Ziele (Goals), Zielstrukturen (Goal Structures), Spielsitzungen (Game Sessions), Spielbewältigung und Balancing (Game Mastery and Balancing), und Metaspiele, Wiederspielbarkeit und Lernkurven (Meta Games, Replayability and Learning Curves) ein. Jedes dieser Oberthemen ist noch einmal in Unterthemen unterteilt, unter denen dann die eigentlichen Patterns angeordnet sind. Das Kapitel zum Thema Ziele enthält bspw. ein Unterkapitel zum Thema Eigentum und Überwindung des Gegners (Goals of Ownership and Overcoming Opposition), das Patterns wie Besitz erlangen (Gain Ownership) oder Retten (Rescue) enthält; ein weiteres Unterkapitel Information und Wissen (Goals of Information and Knowledge) enthält u.a. ein Informationen erlangen (Gain Information) Pattern. Neben einer Zahl von konkreten, im Buch beschriebenen Patterns, enthält jedes Unterkapitel auch einen Abschnitt Additional Patterns, wo weitere Muster zum Thema aufgelistet sind, die ihren Weg nicht ins Buch gefunden haben und nur auf der Begleit-CD verfügbar sind.
Alle Patterns folgen der bereits erwähnten Vorlage, die sich wie folgt gliedert: Eine kurze Definition beschreibt die grundsätzliche Idee des Patterns (Core Definition) und hilft beim Überfliegen der Pattern-Liste. Darauf folgt eine ausführlichere Beschreibung und eine Liste mit Beispielen für Spiele, die dieses Pattern enthalten (General Description), sowie Hinweise zur Anwendung des Patterns abhängig vom Kontext (Using the Pattern) und den daraus resultierenden Konsequenzen (Consequences). Über die fünf Kategorien Instanziert (Instantiates), Beeinflusst (Modulates), Instanziert von (Instantiated by), Beeinflusst von (Modulated by) und Konkurriert möglicherweise mit (Potentially conflicts with) werden dann die Beziehungen (Relations) eines einzelnen Patterns zu anderen Patterns aufgelistet. Referenzen zu anderen Patterns werden hierbei grundsätzlich kursiv gedruckt, so dass Querverweise schnell nachverfolgt werden können.
Die Begleit-CD enthält alle Muster in HTML Form und bietet damit gegenüber der Buchform den Vorteil, dass die Querverweise verlinkt sind und bequem angeklickt werden können. Eine Sortierung wird alphabetisch oder nach Kapitel angeboten. Außerdem sind alle Muster in Kurzform in einem PDF auf 74 Seiten mit jeweils vier Patterns zusammengefasst. Darüber hinaus finden sich auf der CD PowerPoint Folien als Lehrmaterial sowie alle Buchabbildungen.
Wer mit Softwareentwicklung zu tun hat mag also zunächst vom Titel irregeführt worden sein. Es handelt sich mitnichten um einen Titel, der Best Practices in der Spieleprogrammierung listet. Trotzdem drängt sich zumindest quantitativ ein Vergleich zu einem Referenzwerk in der Softwareentwicklung auf, nämlich dem bereits genannten “Design Patterns” von Erich Gamma et al. Dieser Titel enthält auf immerhin 395 Seiten nur 23 Patterns aus drei Kategorien, während Patterns in Game Design den Leser förmlich mit einer Masse an Mustern erschlägt. Dieser Effekt wird durch die zahlreichen Querverweise verstärkt, von denen es durchaus fünf und mehr in einem einzigen Satz gibt. Ein Anspruch von Patterns war stets auch, eine gemeinsame Sprache unter Entwicklern zu finden; ein häufig wiederkehrendes Muster bekommt einen Namen. Bei über 200 Patterns kann das höchstens für die gängigsten Muster gewährleistet bleiben. Die Kurzversion der Patterns in Kärtchenform auf der Begleit-CD hätte dabei unterstützen können, wären diese nicht alphabetisch, sondern nach Themengebiet geordnet. Das hätte zumindest eine Suche erleichtert, sobald man eine grobe Idee von dem hat, wonach man sucht. Auch führt die Kapitelsortierung der HTML-Version auf der CD zu Verwirrung, denn diese entspricht nur auf oberster Kapitelebene der Sortierung im Buch; darunter werden alle Muster einfach alphabetisch sortiert.
Björk und Holopainen haben zweifellos eine umfassende Liste zusammengetragen, aber diese Tatsache macht das Buch gleichzeitig eher zu einem Nachschlagewerk, als dass es zur durchgehenden Lektüre geeignet wäre. Das war allerdings auch die Intention der Autoren, und wer Bedarf für eine fast wissenschaftliche Aufstellung bekannter Muster in Spielen hat, ist mit diesem Buch durchaus gut beraten. Wer praktische Erfahrungswerte oder Anleitungen zum erfolgreichen Spieldesign sucht, oder grundsätzlich mit eher trockenem Lesestoff ein Problem hat, sollte sich nach Alternativen umsehen.
Homepage zum Buch: http://www.gamedesignpatterns.org/
Staffan Björk, Jussi Holopainen: “Patterns In Game Design”
Charles River Media, Inc., 2005
ISBN 1-58450-354-8
Matthias Gall, November 2006